Der kleine Hafen von Nafpaktos |
Als wir uns aufmachen und den hübschen Ort erkunden, hat es begonnen zu regnen. Wir kehren in eine moderne Cafébar ein, wärmen uns mit Kaffee und heißer Schokolade auf. Netter Laden, der sich schnell füllt und für den Abend einen DJ verspricht. Die Essensfrage ist noch nicht geklärt. Also wagen wir uns wieder in den Regen hinaus. Vor einigen Cafés stehen Grills, auf den Suvlaki vor sich hin rösten. Der Duft nach gebratenem Fleisch mischt sich mit dem Geruch des Regens. Tsiknopempti bedeutet genau das: Der rauchige Donnerstag. Mit Tsikno wird der Geruch nach verbranntem Fleisch bezeichnet, Pempti ist der Donnerstag. Heute wird nochmal ausgiebig Fleisch gegessen, ehe die Fastenzeit beginnt. Wieso ausgerechnet Donnerstag, fragen wir uns. Auch das hängt mit dem orthodoxen Glauben zusammen, nach dem mittwochs und freitags gefastet wird. Somit bot sich wohl der Donnerstag an, den fleischlichen Genüssen zu frönen.
Inzwischen hat der Himmel alle Pforten geöffnet und es schüttet aus allen Kannen. Ein bisschen planlos stolpern wir durch Nafpaktos, bis wir am alten Hafen laute griechische Musik hören. Schnell ist der Laden ausgemacht. Nauagio steht über der Tür. Wieder keine Taverne, sondern ein Café, in denen es typisch für Griechenland nur etwas zu trinken, aber nichts zu beißen gibt. Doch vor der Tür grillt ein kahlköpfiger Grieche Suvlaki unter einer Markise. Ok, das muss reichen. Wir huschen durch die Eingangstür und nehmen an einem Tisch Platz. Rasch bekommen wir Bier, Cola und Suvlaki und beobachten das Treiben.
Rechts sind die Schirme des Nauagio zu sehen |
Auch heute wechseln sich die Tänzer mit jedem neuen Lied ab. Obwohl ursprünglich ein Tanz für Männer, wird er inzwischen auch von Frauen getanzt. Eine Griechin mit blondiertem Wuschelkopf steht jetzt in der Mitte. Ihre Bewegungen sind fließender, wie das Wasser des Meeres, das hin und her wogt, Felsen am Ufer umspült. Sie ist ganz in ihrem Song. Wieder tanz ein Mann. Wir sehen die Geschichte vom Betrunkenen, der seinen Schmerz im Alkohol ertränkt hat. Wuschelkopf kommt auf mich zu. In dem Wortschwall Griechisch mache ich nur das Wort für Tanzen aus. Nein, nein, sage ich, das ist zu schwer. Doch, doch ermuntert sie mich und so lasse ich mich überreden und bin plötzlich die nächste im Kreis. Zum Glück kenne ich das Lied. Ich schließe die Augen, um den Rhythmus aufzunehmen, wie Wasser rufe ich mir in Erinnerung, hebe die Arme und tanze, lasse die Hüften kreisen. Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich, dass der Kreis um mich herum voll besetzt ist. Selbst diejenigen, die sich vorher noch nicht zu den Tänzern gesellt hatten, sind jetzt aufgestanden oder knien zu meinen Füßen. Eine große Ehre. Worte können kaum beschreiben, wie mich das bewegt. In Franks Gesicht lese ich Stolz. Der Glatzkopf vom Grill, Tasos, der sich später sowohl als der Chef des Ladens als auch als der Mann vom Wuschelkopf herausstellt, hebt den Daumen. Das Lied geht zu Ende, ich ernte Applaus und überlasse die Tanzfläche dem nächsten Tänzer.
Die Musik wechselt zu moderneren Stücken. Sofort finden sich eine Reihe Leute, die sich an den Händen fassen und eine einfache Schrittfolge im Kreis tanzen. Überhaupt gibt es wohl kein einziges Lied – vom Zeibekiko abgesehen – bei denen die Griechen für sich tanzen. Immer halten sie sich an den Händen, die Arme stets in der Luft. Wenn keine Frau Lust zu tanzen hat, dann tanzen die Männer allein. Die ganze Atmosphäre ist herzlich, fröhlich – wir fühlen uns rundum willkommen. Natürlich dürfen wir nicht sitzen bleiben, sondern müssen uns auch jetzt zwischen den Tänzern einreihen. Auf kleinstem Raum tanzen zwei Mädchen zusammen und wir umkreisen sie mit wiegenden Schritten, der Rhythmus schweißt alle Tänzer zusammen, Fremde werden zu Bekannten, zu Freunden. Und so verabschieden wir uns später am Abend herzlich von Tasos, Petros und ihren Mädels, verbinden uns auf Facebook und versprechen, wieder im Nauagio Café vorbeizuschauen, wenn wir in Nafpaktos sind. Der Regen hat aufgehört, als wir zu unserer Pension laufen. Mir tun derweil die Arme weh, und ich weiß, dass ich morgen vom vielen Tanzen Muskelkater haben werde. Unsere Smartphones jedenfalls blieben in der Tasche - den Moment genießen, ohne aufs moderne Gerät zu schauen, das ließ uns in eine andere Welt abtauchen. Den ganz besonderen Zauber dieses Abends werden wir immer im Herzen tragen.